Nachdem ich über Service Design Thinking erfahren habe, möchte ich das Gelernte auch anwenden, und ein passender Anlass hat sich ergeben: durch einen Fehler der Deutschen Telekom blieb ich 12 Tage ohne Internetanschluss. Es bietet sich, Probleme und Fehler im Service Design der Telekom zu analysieren.
Die notwendige Vorgeschichte.
Ich habe zwei Telefonanschlüsse an zwei Standorten: für mich und für meine Eltern. Ich habe beide Anschlüsse unter meinem Namen und einem Kundennummer laufen lassen, damit ich es einfacher beim Bezahlen habe und damit meine Eltern durch technische Details nicht belästigt werden. Da wir so gut wie niemals telefonieren, hatten beide Anschlüsse einen Tarif mit der Analogtelefonie. Ich habe meinen DSL bei Telekom gehabt, meine Eltern bei 1und1.
Telekom hat beide Tarife im letzten Jahr von sich aus gekündigt, weil sie ihr Netz ausgebaut haben und deswegen die Unterstützung der herkömmlichen Analogtechnik für sie Mehraufwand bedeutete. Frech so wie Telekom eben ist, haben sie entschieden, dass ihre Netzausbau (durch die sie ja mehr Einnahmen mit den Hochgeschwindigkeitsverträgen ohnehin machen) auch noch auf Kosten von den Bestandskunden gemacht werden muss. Anders gesagt, der billigste neue gleichwertige Tarif, nur eben mit der IP-Telefonie, hat mir mehr gekostet als der alte, ohne dass ich irgendeinen erkennbaren Vorteil erhalten habe.
Damals habe ich die Kröte geschluckt und einfach mal bei den beiden Anschlüssen über den Kundencenter (also online) einen Tarifwechsel durchgeführt. Ich habe einen Click and Surf Tarif bekommen, meine Eltern habe ich von 1und1 zum Telekom auf Magenta Home S gewechselt. Der Wechsel hat zunächst einmal funktioniert: bei meinem Anschluss wurde es in Januar dieses Jahres durchgeführt. Bei den Eltern mussten wir bis zum 03.07.2015 warten, wegen der Kündigungsfrist bei 1und1.
Problemfall
Irgendwann in Frühling 2015 habe ich mir den Auftragsstatus angeschaut und dort bemerkt, dass die Bestellung von Magenta Home S für meine Eltern storniert ist, dafür steht dieser Tarif für meinen Anschluss als bestellt, und mein seit Januar bestehender Click and Surf Tarif als gekündigt. Selbstverständlich habe ich es nicht veranlasst.
Nachdem ich die falsche Buchung im Kundencenter entdeckt habe, habe ich bei der Telekom Hotline angerufen. Ich habe das Gespräch mit den Worten “Ich habe ein vermutliches Problem bei Ihnen entdeckt” angefangen, worauf der Hotline-Mitarbeiter mir erwiderte: “Ich habe kein Problem. Sie rufen ja mich an.” Ähnlich hämisch ging es auch weiter, wo ich z.B. unterbrochen wurde mit dem Satz “Hallo! Hallo! Ich rede jetzt aber über den anderen Anschluss”. Ich habe dann trotzdem versucht, höflich zu bleiben. Letztendlich hat der Hotline-Mitarbeiter mich versichert, dass er das Problem verstanden hat, und dass er Magenta Home S wieder für meine Eltern bucht, alles Falsche rückgängig macht und ich darüber Post bekomme. Nichts davon ist passiert.
Am 03.07.2015 konnte ich Zuhause keine Internetverbindung mehr aufbauen, und diese Störung wurde erst 12 Tage später, am 15.07.2015 behoben. Ich musste täglich mit diversen Hotlines telefonieren und zweimal den Telekom-Shop besuchen, damit letztendlich die Ursache herausgefunden wurde: am 03.07.2015 wurde der DSL Protokoll von Annex B auf Annex J umgestellt. Mein Modem Speedport 221 kann zwar VDSL mit 50 Mbit/s, unterstützt aber nur Annex B.
Da das Datum der Störung exakt der “Entlassungstag” bei 1und1 war, habe ich von Anfang an den Verdacht auf die Verwechslung mit Magenta Home S gehabt und habe mich deswegen an den Telekom-Shop in Fürth gewendet. Ein Mitarbeiter davon hat folgendes behauptet:
– es wäre möglich, den fehlerhaften Auftrag ab ca. 08.07.15 schnell zu rückabwickeln. Das war falsch, andere Mitarbeiter der Telekom haben mir später mitgeteilt, dass die Rückabwicklung, wenn überhaupt, 2 Monate in Anspruch nehmen wird, oder auch nicht mehr möglich ist
– mein Internetanschluss sollte auch weiterhin mit Magenta Home S funktionieren, weil mein Modem VDSL unterstützt. Das war falsch, weil wie gesagt der Modem nur den Annex B unterstützt
– dass die technische Hotline noch am 04.07., spätestens am 06.07.15 das Problem beheben wird.
Die technische Hotline hat sich erst am 07.07.2015 gemeldet und wollte einen Termin für Hausbesuch vereinbaren. Das war nicht notwendig, weil man das Problem auch telefonisch finden kann, indem man die Marke meines Modems fragt und sie mit den Einstellungen des Anschlusses vergleicht. Dies hat übrigens ein anderer Techniker am 11.07.2015 schnell in wenigen Minuten erkannt.
Bei der Terminvereinbarung zum Hausbesuch wurde mir mitgeteilt, dass mich der Techniker eine Stunde vorab anruft, sodass ich Zeit habe, von der Arbeit in die Wohnung zu kommen. Dies ist nicht passiert. Der Techniker erschien direkt in die Wohnung, und wir mussten über meine Familienmitglieder kommunizieren.
Der Techniker konnte nicht zwischen einem Modem und einem Router unterscheiden. Bei mir sind das zwar unterschiedliche Geräte. Er hat versucht, das Telefonkabel an den Router anzuschließen. Dies ist fachlich nicht vertretbar.
Seine Behauptung war, dass entweder mein Router (wobei ich nicht weiß, ob er meinen Modem oder meinen Router gemeint hat) kaputt ist, oder meine Zugangsdaten falsch sind. Warum vor dem 03.07.2015 die gleiche Technik und Einstellungen bei mir funktioniert haben, konnte er nicht erklären, und wollte es auch nicht untersuchen. Den Ticket hat er daraufhin geschlossen.
Ich habe mich dann wiederholt an die technische Hotline gemeldet, und das Problem wieder von vorne geschildert. Die Mitarbeiterin hat sich dann auch keine Mühe gegeben, das Problem wirklich zu untersuchen, sondern hat mich einfach gefragt, was sie für mich nun konkret machen soll. Da ich damals Verdacht hatte, dass meine Zugangsdaten verändert wurden, habe ich sie darum gebeten, sie mir zuzuschicken. Sie hat dabei gesagt, dass ich dann spätestens in 15 Minuten eine funktionierende Internetverbindung habe. Nicht nur war diese Behauptung falsch, weil wie wir nun wissen, dass das Problem nicht an den Zugangsdaten lag, sondern an einem Protokollwechsel, der anscheinend zusammen oder zeitgleich mit dem fehlerhaften Auftrag passierte. Sondern auch hat diese Support-Mitarbeiterin mir die Zugangsdaten an die Telekom-Email zugeschickt, die ich nicht abrufen konnte, weil durch die Generierung der neuen Zugangsdaten meine alten Zugangsdaten ungültig gemacht wurden. Ich musste dann wieder anrufen und einen anderen Mitarbeiter die gleichen Zugangsdaten mir an eine andere E-Mail schicken lassen.
Erst der letzte von mir am 11.07.2015 kontaktierte Mitarbeiter konnte das Problem richtig erkennen. Dann hat er noch viel Zeit gebraucht, mir das Problem zu erklären, weil die Telekom-Sprache DSL Annex J als “IP-fähiger Router” bezeichnet. Router ist per Definition ein Gerät, das IP-Pakete routet, alle Consumer-Router der Welt sind insofern “IP-fähig”. Ich musste also Deutsche Telekom erst darüber aufklären, habe dabei vor lautem Schreien fast meine Stimme verloren, weil ich mich nach 12 Tagen Ausfall wirklich verarscht gefühlt habe.
Nur langsam konnte der gute Mann mir erklären, was technisch gesehen passiert ist. Allerdings war er nicht befugt, etwas zu rückabwickeln und konnte mir nur das passende Gerät (Speedport Entry) leihweise zuschicken. Und auch das geschah nicht über Nacht, sondern über den normalen Lieferweg über Deutsche Post, was weitere 4 Tage Ausfallzeit bedeutete.
Am Anfang habe ich in der Hektik noch einen Tarifwechsel von Magenta S auf Magenta M bestellt, weil ich dachte, dass das mein Problem löst und dass ich so wieder meine gewünschte DSL Geschwindigkeit erhalte. Bei der Bestellung hat der Vertrieb-Mitarbeiter gemeint, die Umstellung kann in 2-3 Tagen passieren. Tatsächlich wäre sie frühestens am 17.08, also über meinen Monat später, möglich gewesen. Der andere Vertriebsmitarbeiter hat gemeint, man kann hier nichts machen, da die Buchhaltung so schnell nicht mitkommt. Auf meine Anmerkung, dass ich für Magenta Home S wohl sowieso nichts bezahlen werde, weil ich diesen Tarif schliesslich nicht bestellt habe, hat er behauptet, dass weil es in seinem Buchungssystem steht, dann habe ich es bestellt, und wenn ich der anderer Meinung bin, soll ich mit Telekom schriftlich kommunizieren.
In der Ausfallzeit, die 12 Tage betrug und von mir völlig unverschuldet ist, war ich auf mein Handy (bei T-Mobile) angewiesen. Dabei musste ich zweimal den SpeedOn dazu buchen, weil meine Tarifgrenze schnell überschritten wurde. Keiner der Telekom-Mitarbeiter ist auf die Idee gekommen, mir auf Dauer des Ausfalls einen wirklich unlimitierten mobilen Datentarif freizuschalten. Schlimmer noch, sie haben alle meine Handy-Nummer nicht gewusst (und haben ständich versucht, mich bei meinen Eltern anzurufen), obwohl ich damals bei der Bestellung der T-Mobile SIM-Karte meine Telekom-Kundennummer gesagt habe, und obwohl der technische Support mir ständig SMS geschickt hat.
Als ich mir dann entnervt das Internet von Kabel Deutschland organisiert habe, wollte ich das Leihgerät zurückgeben und habe wieder bei der Telekom angerufen. Erst dann hat mir eine Support-Mitarbeiterin gesagt, dass die Mindestlaufzeit des Leih-Vertrages ein Jahr beträgt, ich müsste also 30 Euro dafür einfach so ausgeben. Die Mitarbeiterin hat anscheinend nichts von meiner Vorgeschichte gewusst, obwohl ich zu dem Zeitpunkt bereits alles mögliche widerrufen, angefochten und fristlos (hilfsweise zum Nächstmöglichen) gekündigt habe und der andere Mitarbeiter der Telekom versucht hatte, mich bei meinen Eltern zu finden, wohl um mich zu überreden.
Generell musste ich jedem einzelnen Telekom-Mitarbeiter die komplette Vorgeschichte neu erzählen, obwohl sie eigentlich in ihrem CRM System eindeutig stehen müsste. Es gab auch einen Fall, wo ein Mitarbeiter mir gesagt hat, dass er gerade eine andere Abteilung anrufen muss, und ich deswegen auf der Linie warten sollte, er ist gleich wieder da, dann nach 2 Minuten meldet sich eine andere Frau, sie weißt wieder von nichts und ich musste alles wieder neu erzählen.
In den Anfangstagen von dem 12-tagigen Desaster war es auch noch so, dass ich über 30 Minuten auf der Warteschleife hängen musste, bis ich durchkam.
Telekom hat mindestens zwei Arten der Hotlines, die eine ist technisch, die andere ist Vertrieb, und ich wurde von einer Abteilung in die andere, und dann wieder zurück, geschickt, weil keiner sich für mein Problem zuständig fühlte.
In der Telekom-Shop können sie sogar weniger als die Hotline-Mitarbeiter, z.B. können sie keinen Auftrag widerrufen.
Auf meine direkte Frage, ob es eine Telefonnummer für Beschwerden gibt oder ich gleich durch einen Anwalt per Post kommunizieren soll, hat der Shop-Mitarbeiter gemeint, es wüsste von keiner Beschwerdennummer.
Letztendlich habe ich alle Verträge mit Telekom gekündigt. Durch die 2-Jahres-Frist laufen sie noch bis 2017, obwohl ich seit Sommer dieses Jahres keine Telefonsteckdosen mehr habe und nichts vom Telekom benutze. Das wird mich über 600 Euro kosten. Ich war über 14 Jahre Kunde bei Telekom und ich werde niemals bis zum Tod wieder Kunde werden.
Analyse und Lösungsvorschlag
Das eigentliche Problem lag an der Verwechslung der Anschlüsse, die entweder durch einen menschlichen oder Software-Fehler entstanden ist. Durch einen guten Service Design kann man zwar solche Fehler nicht verhindern. Man kann sie aber weniger schädlich und einfacher zu beheben machen, z.B. durch folgende Maßnahmen:
1. Einfachheit schaffen. Statt mehrere Software-Systeme (Kundencenter und eine getrennte Buchungsverwaltung, wie anscheinend bei Telekom der Fall ist) soll ein einziges System vorhanden sein, so dass die Bestellungen nicht zwischen Systemen übertragen werden müssen, d.h. Übertragungsfehler können nicht passieren. Das bedeutet auch, dass die Support-Mitarbeiter denselben Online-Kundencenter benutzen sollen wie auch die Kunden (vielleicht mit etwas anderen Zugriffsrechten). Was wiederrum bedeutet, dass der Online-Kundencenter stark verbessert werden muss (Usability, Geschwindigkeit, Funktionen).
2. Transparenz, Persönlichkeit und Accountability. Bei jeder Buchung müsste angegeben werden, wer sie veranlasst hat. Sollte es ein Support-Mitarbeiter sein, müsste sein vollständiger Name da stehen. Es muss eine Möglichkeit geben, konkret diesen Mitarbeiter durch ein Online-Anfrage-Formular, oder per E-Mail, oder telefonisch zu erreichen, um eine Frage zu stellen, warum die eine oder andere Buchung gemacht wurde.
Eventuell müsste der Kunde sich dann aber trotzdem mit einem Support-Mitarbeiter in Verbindung setzen. Wenn derjenige aber schlecht gelaunt, unterbezahlt oder inkompetent ist, was dann?
3. Menschlichen Faktor ausschließen. Jegliche Vertragsoperationen (wie Widerruf, Stornierung, Rückabwicklung und Kündigung, Anfechtung sowie das Ticketsystem der technischen Kundendienstes) müssen online im Kundencenter machbar sein. Sollte es erwünscht sein, für den Kunden zu kämpfen, kann das Winback-Team den Kunden ja trotzdem nach der Stornierung erreichen und versuchen, ihn zu überreden.
Desweiteren, die Aufteilung von Telekom-Hotlines auf Technik und Vertrieb, und ein nicht funktionierendes oder nicht benutzbares (Usability!) CRM System hat dazu geführt, dass enorm viel Zeit verloren ging und viel unnötiger Aufwand betrieben wurde – weil ich mit 10 bis 20 verschiedenen Support-Mitarbeitern reden musste und keiner von ihnen konnte ausreichend viel Kontext über das Problem wissen.
4. Sollte der Kunde Kommunikation mit Menschen bevorzugen (weil z.B. der Kunde der Generation X oder älter gehört und nicht so online-affin ist), muss sie mit exakt einem Support-Mitarbeiter stattfinden. Dieser dem Kunden mit Vor- und Nachname bekannte, direkt per E-Mail oder telefonisch erreichbare und fest zugewiesene Berater soll die komplette Vorgeschichte des Kunden und des Problems kennen. Er agiert dann selbsttätig im Auftrag des Kunden, wuselt sich durch alle möglichen Abteilungen der Telekom durch, und löst das Problem.
Wenn auch das nicht hilft, soll es dem Kunden die Möglichkeit gegeben werden, die Lösung des Problems entweder selbstständig (bei ausreichenden Fachkenntnissen) oder durch einen fachmännischen Dritten herbeizuführen. Dabei ist notwendig, dass
5. Transparenz auch in (technischen) Detail vorhanden ist. In jeder Bedienungsanleitung, die einem Gerät beigelegt wird, gibt es einen Kapitel “Technische Daten”. Dort stehen wichtige Informationen darüber, was technisch (und nicht bloß in der Verkäuferssprache) passiert. Telekom sollte auch hier möglichst transparent sein. Der Kunde muss direkt im Kundencenter die neuen DSL Zugangsdaten beliebig setzen können. Er muss den Sync-Status und weitere technische Status-Informationen von “seinem” DSLAM auslesen können. Verbindliche Informationen über SIP-Proxy, STUN-Server, benutzte SIP Ports sowie die Status-Informationen müssen direkt im Kundencenter abrufbar sein (aktuell sucht man sie in diversen Foren zusammen).
Abgesehen davon sehe ich noch einen ganz anderen “Lessons Learned”. Sowohl bei T-Online als auch bei T-Mobile ist es so, dass es keine aktuell bestellbaren Tarifen gibt, die so günstig sind wie meine bisherige Bestandstarife. Tarifwechsel lohnt sich aktuell bei Telekom nicht, wenn man mit dem bisherigen Status Quo zufrieden ist. Schlimmer noch: die Konkurenz bietet die gleiche Leistung für 30% weniger Geld. Ausgerechnet in dieser Situation hätte Telekom eigentlich nur durch einen legendär hervorragenden Service ihre Kunden behalten können. Bei dem disaströsen Service, den sie aktuell anbieten, müssten sie aber mit ihren Preisen mindestens um 60-70% runtergehen (also z.B. DSL für 9 bis 12 statt 30 Euro pro Monat anbieten).
Und das ist das Lesson Learned: bei überdurchschnittlichen Preisen muss der Service auch überdurchnittlich sein. Ich nehme an, das Gegenteil stimmt auch: ein überdurschnnittlich guter Kundenservice kann die Möglichkeit eröffnen, Preise zu erhöhen.