Zombieland

Ich habe schon mal gehört, wie einige deutsche Betriebe als Zombieland bezeichnet werden. Früher habe ich immer gedacht, die Bezeichnung würde nur darauf anspielen, dass zu viele Vorruheständler beschäftigt sind und dass alles so langsam und tollpatschig abläuft.

Je mehr Unternehmen ich aber detailliert kennenlerne, desto mehr weitere Ähnlichkeiten ich finde.

Einheitlichkeitszwang

Zombies werden ja von einem Nekromanten gesteuert und bewegen und verhalten sich also einheitlich. So auch in einem Zombieland-Betrieb: es wird auf Teufel komm raus dafür gekämpft, dass alles einheitlich ist. Und das trotz des gesunden Menschenverstandes, denn es ist ja offensichtlich, dass je flexibler man auf persönliche Befindlichkeiten und Anforderungen jedes einzelnen Mitarbeiters eingeht, desto produktiver und motivierter sie sind. Als Scheinbegründung wird entweder vorgegeben, dass es zu viel Aufwand sei, jeden persönlich zu managen. Das zählt nicht, weil große Teams immer in kleinere aufgeteilt, und die Zuständigkeiten delegiert werden können. Oder es wird behauptet, dass die Einheitlichkeit von Prozessen, Abläufen und Zielen das einzig faire wäre. Das widerspricht dann aber nicht nur dem normalen Menschenverstand, sondern allen Best Practices, die in der Rechtswissenschaft existieren. Das Gesetz soll für alle gleich sein, nicht die Rechte und Pflichten! Die Gesetzgebung bemüht sich nämlich sehr wohl darum, dass Menschen in unterschiedlichen Ausgangssituationen auch unterschiedliche Ansprüche und Verpflichtungen haben.

Das aggressive Zombiewerden

Zombies greifen gesunde Menschen an, damit daraus weitere Zombies entstehen. Das ist im Interesse des Nekromanten, denn er bekommt eine Situation, in der seine Macht automatisch größer wird. Für gewöhnlich geht die Zombie-Gefahr von einer Abteilung oder einem Standort aus. Gesunde Teile des Unternehmens, die mit Zombies zusammenarbeiten müssen oder wollen, werden nach und nach zombiesiert. Das passiert zum Beispiel auf Terminen mit 20 Beteiligten, die mehrere Tage dauern und wo eine Fragestellung diskutiert wird, die innerhalb einer Stunde von 3 Menschen beschlossen werden kann. In Wirklichkeit geht es auf solchen Terminen darum, dass Zombies die Gehirne von ihren gesunden Kollegen auffressen.

Üblicherweise gibt es auch keine Möglichkeit, einen Zombie zu heilen – zumindest so lange der Nekromant an der Macht ist. Gesunde Menschen wehren sich, entweder indem sie sich von den betroffenen Teilen der Firma abschirmen, oder indem sie die Firma verlassen.

Unfreiheit

Zombies treffen niemals ihre eigene Entscheidungen, sondern setzten die Entscheidungen von den Vorgesetzten um. Damit Zombies unter Kontrolle gehalten werden können, bekommen sie keinerlei wichtigen Informationen darüber, was im Betrieb passiert. Jegliche wichtigen Änderungen und Entscheidungen werden unter vorgehaltenen Hand, geheim, von einem kleinen Gremium von führenden Nekromanten beschlossen.

Fehlende Produktivität

Niemand kann einen Zombie vorstellen, der mal etwas konstruktives oder produktives tut – ein Haus baut, eine Straße sauber macht oder einen wissenschaftlichen Experiment durchführt. Die meiste Zeit verbringen Zombies damit, die gesunden Abteilungen anzugreifen, sich von ihrem Nekromanten indoktrinieren lassen, oder mit Vortäuschung einer produktiven Tätigkeit.

Wenn eine Webseite innerhalb einer Woche entwickelt und live genommen wird, sprechen wir über eine normale Produktivität. Wenn es 4 Wochen dauert, kann es daran liegen, dass das Team zu wenig kompetente Mitarbeiter hat oder ständig von anderen Aufgaben abgelenkt wird. Wenn man aber die gleiche Seite 12 Monate baut, dabei Tonnen von Dokumentation und Tests produziert, Dutzend Male quer durch Deutschland zu notwendigen Abstimmungen fährt, und dann trotzdem nicht live geht, weil noch die Zuarbeit von 8 weiteren Teams nötig ist, und die Software-Architektur der gesamten Firma angepasst werden müsste – dann weißt man, was man hat.

Ausweg

Wir in IT Bereich haben vergleichsweise viel Glück damit, dass nur wenige Menschen sich damit abfinden können, Zombie zu werden. Es ist in unserem Job normal zu erwarten, dass man jeden Tag etwas Produktives tun kann – zum Beispiel eine Software erstellen, die der Firma ein bisschen hilft und die auch die Welt etwas besser macht.

Und obwohl ich meinen aktuellen Arbeitgeber nicht schönreden möchte und wir auch hier und da Zombie-Befall haben, muss ich ehrlich sagen, dass ich letzte Woche viel Spaß an sehr kreativen Arbeit in einem gesunden Team hatte, und es nicht abwarten kann, morgen wieder zur Arbeit zu kommen, um mein kleines Projekt abzuschließen und mit den Kollegen zu besprechen.

Shameless Plug: we’re hiring

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