Ruhe vor dem digitalen Storm

Deutschland steuert auf seinen Untergang zu, weil hier die Digitalisierung scheinbar nur aus diesen zwei Teilen besteht:

  • flächendeckendes schnelles Internet,
  • mehr PC in den Schulen.

Und das Problem besteht nicht einmal darin, dass es zunehmend weniger Bedarf an Internet auf dem Land gibt, weil mehr und mehr Menschen in die Stadt ziehen. Und nicht darin, dass es nicht mehr zeitgemäß ist, PC als öffentliche Kommunikationsmitteln anzusehen: sie sind mittlerweile so persönlich wie Zahnbürste, so dass man die Nutzung von eigenen PCs und Handys in der Schule zulassen sollte, statt das Geld von Steuerzahler für schuleigene PCs auszugeben.

Das eigentliche Problem ist, dass die Digitalisierung eine Revolution der Gesellschaft ist – viel größer, als die Erfindung von Buchdruck war – und dass die Politiker in Deutschland das nicht begreifen.

Die Erfindung von Buchdruck spaltete die Kirche (was so “nebenbei” den 30-jährigen Krieg mit 6 Mio. Toten verursachte) und war eine Voraussetzung für die nachfolgende Bürger-Revolutionen und Untergang von Monarchien, weil Menschen durch die Alphabetisierung und Entstehen vom Massen-Bildungswesen nicht mehr so leicht regierbar geworden sind. Die Wissenschaft entwickelte sich, was die enorme Weiterentwicklung von Medizin und Technik zur Folge hatte. Viele etablierten Geschäftsmodelle und Berufe gingen unter, weil im Prinzip jeder alles lernen konnte, sobald es ein Lehrbuch dazu gab.

Bücher gab es auch vor dem Buchdruck. Der Buchdruck hat nur die Verbreitung von Büchern billiger gemacht. Die Digitalisierung ist gewaltiger. Nicht nur ist die Verbreitung von Informationen praktisch kostenlos geworden. Sondern auch das Erstellen von der Information hat sich verbilligt. Viele Informationen lassen sich automatisch durch Algorithmen, teilweise auch mit K.I. oder neuerdings mit IoT erstellen. Wir steuern auf die Welt zu, wo jeder Zugriff auf alles haben kann, was überhaupt möglich zu erfahren ist.

Und das wird alles noch einmal umkrempeln (oder, wie man in Silicon Valley sagt, disrupten).

Nein, die Digitalisierung von Massenmedien ist nicht, die Web-Seiten mit elektronischen Kopien von Zeitungen zu erstellen. Eine Zeitung als solche ist nur deswegen entstanden, weil es billiger war, mehrere Artikel auf einem großen Blatt Papier zu drucken und zu liefern, als die Artikel einzeln zu verbreiten. Das ist nicht mehr so. Somit abonniert man keine Zeitungen mehr, sondern einzelne Autoren. Und ja, man tut es auf Facebook oder Youtube, und nicht auf faz.de.

Nein, die Digitalisierung vom Finanzamt heißt nicht, dass man die gleichen Formulare auch online abschicken kann. Sondern, dass man die Werbungskosten und die außergewöhnliche Belastungen direkt in seinem Online-Banking an das Finanzamt weiterleitet. Und dass man Sekunden später eine Steuererstattung hierzu überwiesen bekommt.

Nein, die Digitalisierung von Bildung besteht nicht darin, Schulen zu digitalisieren, sondern sie abzuschaffen! Nichts ist schlimmer für die Kinder, als eine Massenausbildung. Millionen von Menschen regen sich wegen Massentierhaltung auf, schicken aber ihre Kinder artig in die Schulen, wo ihr Gehirne mental vergewaltigt werden. Das aktuelle Schulsystem ist schlimm für die schnelldenkenden Schüler, die sich zu Tode langweilen müssen. Es ist aber viel schlimmer für die langsamdenkenden Kinder und für Legastheniker, die ständig frustriert sind und irgendwann anfangen, sich zu schämen und sich als vermeintlich “minderwertig” abzuschreiben. Stattdessen wird jedes schulpflichtige Kind an MOOC Kursen teilnehmen, in dem Tempo und Umfang, die für es am optimalsten ist, und die digitale Nachweise dessen an die Jugendämter schicken. Das Erlernen von praktischen Fertigkeiten und die Beherrschung von dem eigenen Körper (Sport, Tanzen, Malen, Hobeln, Dechseln, Mauern, Radfahren, Reitern usw) gehört meiner Meinung nach nicht zur Allgemeinbildung und kann auf Kursen oder ggf. auf Praktika in den Firmen erlernt werden.

Nein, die Digitalisierung von privaten Unternehmen besteht nicht nur aus papierlosem Büro und Verteilung von Informationen über Slack statt mit einem Aushang. Stellt euch vor, die Arbeitnehmer würden die Möglichkeit erhalten, vor der Einstellung sowohl in die Firmenbücher zu schauen, als auch zu lernen, wie ihre zukünftige Chefs ihre Entscheidungen treffen und sich generell verhalten. Mit nur ein wenig mehr Transparenz würden wir all die Office-Politiker dort schicken, wo sie hin gehören – in die Geschichtsbücher.

Nein, die Digitalisierung von Demokratie ist nicht, dass jede Partei eine Web-Seite mit ihrem Programm erstellt. Die Parteien sind nur deswegen entstanden, weil die Wahl-Kampagnen für Einzelpersonen zu teuer sind. Sie sind zu teuer, weil a) es für die Wähler so kompliziert und aufwendig ist, wählen zu gehen und b) weil die Wähler für mehrere Jahre eine Wahl treffen müssen. Das erste Problem ist mit Online-Wahlen bereits gelöst. Das zweite Problem könnte gelöst werden, wenn man nicht mehr jede 4 Jahre, sondern täglich jeden Politiker (ab)wählen kann. Das klingt kompliziert für den Wähler, ist es aber nicht, weil er nicht mehr riesige mehrjährige Programme lesen muss, sondern nur noch das Geschehen der letzten Woche bewerten muss. Die Wahlen sind deswegen so selten, weil es früher zu teuer war, die Wahlzettel zu drucken, sie zu verteilen, dann sie wieder einzusammeln, zu zählen, die Wahlprogramme zu drucken, und verteilen usw. Das alles ist heute kostenlos möglich.

Und weil unsere Politik und unsere Gesellschaft gar nicht begreifen können (begreifen wollen???), wie gewaltig die Digitalisierung ist, die überall in der Welt passiert und von manchen Global Players auch entsprechend umfassend umgesetzt wird (z.B. in China), denke ich, dass wir uns auf die schlimme Zeiten und mehrjährige hybride Kriege einstellen müssen. Ja, irgendwann geht die heutige Generation von Politikern und kommt die nächste, die ihre Pubertät online ausgelebt hat. Aber dann wird es unaufholbar zu spät.

Und es hilft nichts, Milliarden von Steuergelder für Förderung von K.I. auszugeben. Denn das Hauptproblem ist bei uns nicht, dass wir zu wenig K.I. haben, sondern dass niemand unter den Entscheidern bereit ist, es auch wirklich disriptiv einzusetzen.

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